Golf Post Premium Panorama

Schummeln auf dem Golfplatz – Wenn die Lippenpflege den Score verbessert

08. Sep. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Legale Tricks und illegale Instrumente beim Golf. (Foto: Getty)

Legale Tricks und illegale Instrumente beim Golf. (Foto: Getty)

Gleich vorweg der „Beipackzettel“ zum Bericht: Die folgenden Zeilen sind zur Nachahmung nicht empfohlen; zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihr Regelbuch und die Turnierleitung. Und sowieso gibt‘s anbei keine ernst gemeinten Handlungsempfehlungen für Mogeleien ohne Makel. Auch kein Plädoyer pro Pfuschen oder gar Euphemismen für Ehrlosigkeit. Okay?

Gut, dann wäre das ja geklärt.

Die Seltsamkeit des Selbstbetrugs

„Golf is a Game of Honor“, hat nicht nur Justin Leonard (USA) mal gesagt, der Champion Golfer of the Year von Royal Troon 1997. Allerorten ist vom Spirit des Spiels die Rede; davon, dass man Golf vornehmlich gegen sich selbst spielt – und gegen den Platz. Andererseits lautet ein geflügelter Satz: „Golf hat vermutlich bis heute mehr Menschen zu Schwindlern gemacht als die Einkommenssteuer!“ Wie passt das zusammen?

Was bringt ein gefakter Score, von dem man selbst am besten weiß, „dank“ welcher Mogeleien er zustande gekommen ist? Wem beweist man was mit Lochergebnissen, die wider besseres Wissen verkündet werden? Das Wesen des Selbstbetrugs: Eine interessante Frage für Soziologen und Psychologen.

Der Mulligan auf dem siebten Abschlag

Es braucht als Probanden gar nicht den „Commander in Cheat“ Donald Trump und sein überblähtes Ego, in dessen geistigem Gerüst Verlieren bekanntermaßen nicht vorkommt. Oder den Trickser Patrick Reed, dem das Stigma besser gelegter Bälle und per Probeschwung eingeebneter Sandhäufchen im Bunker anhängt.

Wir können uns direkt an die eigene Nase packen: Hand aufs Herz, wen überkam während der Runde nicht schon mal die Versuchung, sich einen Mulligan zu genehmigen, obwohl man schon auf dem siebten Abschlag ist? Die Fake-Fachleute sprechen in solchen Fällen vom „Traveling Mulligan“.

Das Leder-Wedge und Oddjobs Hosentasche

Wem hat‘s bei einem tief im krautigen Rough versunkenen oder unter dichtem Gebüsch gelandeten Ball noch nie in der Schuhspitze gezuckt? Der entsprechende Täuschungs-Terminus lautet „Leder-Wedge“, darunter fallen übrigens alle Funktionsmaterialien – dies sei der guten Ordnung halber angemerkt.

Und wer war nicht schon mal versucht, einfach eine neue Kugel in liebsamerer Lage fallen zu lassen? Bei Mitspielern in Sichtweite wünscht man sich dann ein Loch in der Hosentasche und den Weg durchs Hosenbein, wie es der obskure Oddjob – Nomen est Omen – im James-Bond-Thriller „Goldfinger“ für seinen Chef perfekt demonstriert hat. Um im Bild zu bleiben: Man lügt sich damit lediglich in die eigene Tasche.

Selbstredend sind das alles bloß hypothetische Gedankenspiele, genährt von ein paar grundlegenden Aspekten. Erstens: Die Leute machen sich halt gern was vor, wenn‘s zum eigenen Wohl gereicht. Mitunter heiligt der Zweck, sprich die eigene Zufriedenheit, jedes Mittel an Manipulation. Der berüchtigte Handicap-Schinder aka „Sandbagger“ oder die Nutzung nichtkonformer Schläger (Trampolin-Effekt etc.) reichen hier als Stichworte.

Schmaler Grat zwischen Verantwortung und Verführung

Zweitens: Gerade der Homo Ludens, der spielende Mensch, leidet gern an akuter Amnesie, an Aussetzern des Kurzzeitgedächtnisses, wenn‘s ans Maßnehmen und an den Austausch von Großtaten geht – von verklärten Erinnerungen an die entferntere Vergangenheit gar nicht zu reden.

Drittens: In keiner anderen Sportart sind die Aktiven derart selbst verantwortlich fürs Einhalten der Regeln, für die Wahrung von Etikette und fürs Zählen wie beim Golf. Und das nicht selten allein auf weiter Flur, zumal bei privaten Runden. Da kann die rote Linie zwischen Verantwortung und Verführung schon mal zur Unkenntlichkeit verblassen.

„Labello“ für gerade und weite Drives

Bei alldem sind die vorgenannten Betrugsbeispiele eher grobes Geschirr für Schummel-Schüler. Fortgeschrittene Falschspieler verfügen über ein deutlich subtileres illegales Instrumentarium. Ein paar Exempel gefällig?

Es empfiehlt sich etwa, stets einen sogenannten „Labello“ in der Tasche zu haben. Vor dem Abschlag sollte man sich ordentlich die Lippen einfetten. Das dient nicht allein der Hautpflege, sondern gleichermaßen dem anstehenden Drive, wenn der Balsam mit den Fingern ordentlich verrieben wird – erst auf den Lippen, und die Reste dann auf der Schlagfläche des Drivers. Die Fettschicht reduziert den Spin, der Ball fliegt weiter und gerader.


Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von ?Golf? (@dynamitedrivers)

Organisationstalente tränken schon vor der Runde einen Zipfel ihres Golfhandtuchs förmlich mit Vaseline, auf dass sich bei jedem Säubern der Schlagfläche die „Schmu-Schmiere“ erneuere.

Auf dem Platz hat man es so über den Bunker geschafft, der die Landezone einengt; zur Fahne reicht ein satter Pitch. Jetzt ist nicht weniger, sondern jede Menge Spin gefragt. Die Grooves unterwegs zu reinigen, ist bekanntlich erlaubt. Probeschwünge im Nahbereich der Spiellinie aus dem Bunker sind ebenfalls völlig ok.

Probeschwünge im sandigen Gras bringen Spin

Willkommener Nebeneffekt ist freilich, dass dabei einiges von dem Sand an der Schlagfläche des frisch gereinigten Wedges haften bleibt, den Vorspieler bei ihren Bunkerschlägen aus dem Hindernis befördert haben. Das erhöht die Reibung und damit den Spin, der Ball kommt auf dem Grün besser zum Halten.

Gegen den Spin: Probeschwünge mit Divots

Andererseits empfehlen sich bei einem weiten Annäherungsschlag einige Probeschwünge, die Divots produzieren. Dadurch füllen sich die Grooves des Eisens mit Erdreich, was wiederum den Spin reduziert und den Ball weiter fliegen lässt. Beide Methoden sind überdies absolut legal – allerdings sollten die Divots zurückgelegt werden.

Das Schummel-Spiel mit dem Ballmarker

Auf dem Grün schließlich ist Fingerfertigkeit gefragt. Etliche Zentimeter Nähe zum Loch lassen sich herausschinden, indem der Ballmarker vor den Ball gelegt und dieser nach dem Reinigen dann in herkömmlicher Weise wieder vor dem Marker platziert wird. Mit etwas Geschicklichkeit und dem Körper als Schild vor allzu neugierigen Blicken der Mitspieler lässt sich das ein, zwei weitere Male praktizieren – man wird den Ball ja noch nachjustieren dürfen …

Will heißen: Beim Golf ist die Wiese grün – auch für Mauschelei und Beschiss jedweder Art. Oder wie es der 2009 verstorbene amerikanische Radioreporter Paul Harvey (ABC News) mal formuliert hat: „Golf ist ein Spiel, bei dem du ,Fore‘ rufst, eine Sechs schießt und fünf Schläge aufschreibst.“


Feedback